Übertragung von Emotionen nach der Interaktionstheorie

Fortsetzung von: Gruppendynamik und subjektive Wahrnehmung

Übertragung von Emotionen nach der InteraktionstheorieBeobachter in der Metaentität

Die Entwicklung der Gruppengespräch-Metaentität hängt natürlich von weitaus mehr Variablen ab, als allein jener Personen-Teilentitäen. Ihre subjektive Zeit ist ebenso zu berücksichtigen – jene Entität durch die, als historisches Abbild aller Interaktionsprozesse, sich alle Erlebnisse vollziehen.

Weitere relevante Einflussvariablen (unter unendlich vielen vorhandenen), werden in diesem Fall wohl kollektive Stimmungsschwankungen sein, Musik oder Wetter usw.. Die am Gespräch teilnehmenden Personen, repräsentieren jedoch für den Beobachter (welcher in diesem Gedankenspiel ebenfalls eine Person ist) die wohl generell relativ Einflussreichsten, abhängig von der Absicht seiner Beobachtung. Durch die Diskontinuität des Personen-Kontinuums (jede Person ist klar definiert, daher keine fließenden Übergänge) wirkt hier der Kaskadeneffekt zwischen Metaentität und den Teilnehmern des Gespräches.

Beobachter in der Metaentität

Der Beobachter ist ebenfalls Teil der Metaentität. Er ist jedoch in den meisten Fällen relativ weniger einflussreich auf, und relativ weniger beeinflusst durch sie.

Übertragung von Emotionen

Generiert die Metaentität eine Emotion, so wirkt diese ebenfalls durch den Kaskadeneffekt auf die Personen-Teilentitäten: sie werden durch sie vereinnahmt: Die Übertragung von Emotionen findet statt. Selbstverständlich sind die Potentiale bei jeder Person anders, wodurch die Wirkung und Intensität sich bei jedem anders einstellt. Dieses Potential hängt seinerseits von vielen anderen Faktoren (Metaentität-Variablen) ab wie Charakter, Vorgeschichte, Stimmung, Integration in der Gruppe und so weiter.

Wie am stillen Beobachter bereits nachgewiesen wurde, gilt die Einflussnahme von Metaentitäten wie schon zuvor angedeutet nicht allein für die „aktiven“ Entitäten. Denn was aktiv ist und was nicht, ist wiederum eine rein subjektive Bewertung. Wahrhaft mitentscheidend für die Intensität der Einflussnahme ist die Intensität der direkten Interaktion. So kann beispielsweise ein Lachanfall sich in einem Zugabteil ohne Weiteres auf Personen übertragen, welche den Witz gar nicht erst gehört haben.

Die Ansteckung des Lachens, oder kaskadenartige Ausdehnung der Metaentität Lachen vollzieht sich nach der Interpretation der Interaktionstheorie bei ausreichender Überschneidung der Realitätstunnel der lachenden Teilentitäten mit jenen der Noch-Nicht-Lachenden. Das Einhergehen der bewussten Interaktion wie im Fall des Gruppengesprächs ist dabei keine Grundvoraussetzung, wie anhand dieses Beispiels verdeutlicht wird:

In einem Zugabteil befinden sich dutzende Menschen, zwar ohne einander zu kennen. Sie alle teilen jedoch diese spezielle Situation (bilden eine Metaentität der „im Zug Sitzenden“) – sie interagieren zur relativ selben Zeit am relativ selben Ort und fahren eben im selben Zug. All diese Gemeinsamkeiten, seien es noch so wenige, können selbstverständlich ausreichen, um eine Metaentität zu bilden, da diese durch den Beobachter subjektiv determiniert wird: Es ist nicht die Frage wann und wo eine Metaentität sich bildet, sondern es ist die Frage, wann und wo man eine Metaentität erkennen will!

Jedenfalls bewegt sich dieser Zugwaggon nicht ohne Turbulenzen über die Gleise im Tunnel – der Waggon mit den Insassen wird durch die hohe Geschwindigkeit und Unregelmäßigkeiten wie zum Beispiel im Gleiswerk hin und her geschüttelt, und zwar alle in immer die relativ selben Richtungen. Auch die Zugbeleuchtung möge einen Wackelkontakt-Defekt haben, wodurch die visuelle Wahrnehmung ebenfalls relativ synchronisiert wird. So besteht bereits ein Überlagerungszustand durch mehrere relative Konstanten.

All diese Faktoren oder auch Metaentität-Variablen bzw. Teil-Entitäten schaffen das Potential für die Entstehung weiterer Entitäten innerhalb dieses Kontinuums.

Schwingende Haltegriffe im Zugabteil

An den Haltegriffen, welche An die oberen Haltestangen angebracht sind, kann man es am besten erkennen: Sie alle schwingen exakt im selben Takt, nämlich jenem Takt, den der Waggon vorgibt. Und diesen Takt teilt jeder Haltegriff die sich im Zug befindet: das Zugwaggon-Kontinuum ist Bestandteil jedes einzelnen Realitätstunnels (jedes Haltegriffes), und jeder einzelne Realitätstunnel (jede einzige subjektive Wirklichkeit, in der dieser Moment erlebt wird), ist ein Teilaspekt der Wirklichkeit der beschriebenen Metaentität. Alle diese subjektiven Realitäten dieser erlebten Augenblicke in diesem Waggon, bilden die Metarealität der Metaentität.

Das Resultat – die im Takt schwingenden Haltegriffe – kann eine im Zug sitzende Person beobachten. Dass sie selbst denselben Kräften ausgesetzt ist, sie also eigentlich mitschwingt, ist ihr dabei nicht notwendiger Weise bewusst.

Diese Metapher soll verdeutlichen, weshalb unser Innenleben, unsere subjektive Realität nicht isoliert betrachtet werden kann. Insbesondere die Emotionen sind beim Menschen durch Metaentitäten fundamental beeinflusst. Es ist experimentell wohl zu überprüfen (bzw. wurde bereits überprüft) und entspricht wohl der Erfahrung vieler Leser, dass Emotionen sich überaus rasch übertragen können. Betreten wir schlecht gelaunt ein Fest auf dem ausgelassen gefeiert wird, werden wir als einzelne wohl kaum die Stimmung entscheidend zerstören können – viel eher werden wir uns von der Euphorie anstecken lassen. Die dominierende Emotion-Metaentität wird sich durchsetzen und unsere subjektive Realität beeinflussen. Und genau diese Beeinflussungen geschehen im Grunde ständig, und meist ohne dass uns dies bewusst wird.

Tatsächlich ist diese ständige Beeinflussung dafür verantwortlich, dass wir unsere Realität als relatives stabil wahrnehmen – denn diese Einflüsse beschränken sich keineswegs auf Emotionen und menschliche Psyche – denn Interaktion ist die zentrale Grundeigenschaft der Existenz an sich.

weiter lesen:
Metaentitäten und soziale Interaktion
1. Gruppendynamik und subjektive Wahrnehmung
2. Übertragung von Emotionen nach der Interaktionstheorie

Thomas Heindl, 2015

Ein Gedanke zu „Übertragung von Emotionen nach der Interaktionstheorie

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