Wo ist der Sitz des Bewusstseins? Es handelt sich hierbei um eine der zentralen Fragen nicht nur der Philosophie. Um diese zu beantworten, ist eine genaue Definition von Bewusstsein notwendig. Doch bereits hier scheiden sich die Geister.
Vermenschlichtes Bewusstsein
![Von Robert Fludd - Utriusque cosmi maioris scilicet et minoris […] historia, tomus II (1619), tractatus I, sectio I, liber X, De triplici animae in corpore visione, Gemeinfrei, $3](http://www.interaktionstheorie.org/wp-content/uploads/sitz_des_bewusstseins_phlosophie-201x300.jpg)
Zu allen Zeiten fragten sich Philosophen, wo der Sitz des Bewusstseins liegt. Die meisten gingen dabei von menschlichem Bewusstsein aus.
Sitz des Bewusstseins ist auch der Mensch, aber nicht nur
Allein das, was der Mensch als Bewusstsein erlebt, als Bewusstsein zu definieren, ist eine typische selbstbezogene (hoministische) Ansicht, die das mögliche Spektrum doch sehr stark einschränkt. Man spricht bei einer solchen Vermenschlichung von Anthropomorhismus. Wir kennen dies beispielsweise von der Vorstellung der Götter im Altertum – sie alle haben eine menschliche Gestalt. So manche Gläubige haben diese berüchtigte Vorstellung eines alten Mannes mit weißem Bart, der in den Wolken sitzt, wohl noch heute. Ich möchte betonen, dass diese Einschränkung nicht falsch im eigentlichen Sinne ist, denn im Multiversum gibt es kein falsch im absoluten Sinne. Jede subjektive und intersubjektive Wirklichkeit beinhaltet legitime Wahrheiten, deren Gehalt zu respektieren ist. Dennoch bin ich der Meinung, dass Definitionen Allgemeingültigkeit anstreben sollten, und das vermenschlichte Bewusstsein erfüllt dieses Kriterium in meiner Wirklichkeit nicht.
Bewusstsein nach der Interaktionstheorie
Die von mir vorgeschlagene Interaktionstheorie definiert Bewusstsein allgemein. Und diese ist elementar mit dessen Sitz verknüpft: Nach ihr hat grundsätzlich jede Entität ein Bewusstsein. Eben dieses Bewusstsein ist der Interaktionsprozess der diese Identität ausmacht: Der interaktive Prozess zwischen immanenter und transzendenter Identität. Das Bewusstsein ist demnach das interaktive Wechselspiel, oder ist der Nexus, die Schnittstelle, zwischen innerem und äußeren einer IdEntität. Der Schmelztiegel der Erfahrung an sich. Nach dieser Definition ist klar, dass jede mögliche Entität einen solchen Nexus hat – Bewusstsein ist also Voraussetzung von Existenz. Denn ohne Interaktion, die sich zwischen Innerem und Äußerem vollzieht, kann nichts existieren. Nichts kann für sich alleine sein. Alles besteht durch Interaktion.
Wenn wir uns demnach nun die Frage nach dem Sitz des Bewusstseins stellen, so wird klar, dass Bewusstsein überall dort vorhanden ist, wo Interaktion stattfindet, und das unabhängig davon, ob dabei Menschen involviert sind oder nicht. Natürlich ist klar, dass menschliches Bewusstsein nur dort vorhanden sein kann, wo Menschen interagieren.
Sitz des Bewusstseins als Nexus der Identität
Somit ist gewissermaßen alles von Bewusstsein durchdrungen: Alles was als Entität differenziert wird, muss auch bewusst sein. Natürlich sind viele Bewusstseinsformen ebenso unterschiedlich, wie interaktive Prozesse unterschiedlich sind. Es ist klar, dass beispielsweise der Mensch ebenso wenig das Bewusstsein (die Interaktiven Prozesse) eines Steins nachvollziehen kann wie umgekehrt Es bedeutet auch, dass alles denkbar mögliche eine Identität, und somit ein Bewusstsein, also interaktive Prozesse hat.
Natürlich ist klar, dass sehr viele der möglichen Bewusstseins-Eigenschaften umso weniger nachvollziehbar sind, je mehr sie sich von den eigenen unterscheiden. Die subjektive Wirklichkeit (siehe Anthropomorhismus) jeder Identität bildet hier ein Art Barriere.
Dass buchstäblich alles differenzierbare, jede Entität, eine solche Schnittstelle aufweisen muss, hat zur folge, dass Formen des Bewusstseins ebenso vielfältig sind, wie die Gestalt der Entitäten, dessen Sitz es ist: Die Bewusstseins-Entität ist multidimensional Variabel. Immanenz und Transzendenz, also Inneres und Äußeres, sind nicht ausschließlich durch die Raumdimensionen definiert. Besonders im Bereich der Ideen, ja im gesamten immateriellen Bereich des interaktiven Multiversums, finden wir Schnittstellen, die räumlich nicht zu erfassen sind. Der Sitz des Bewusstseins und dessen Gestalt hängt immer von der Entität ab, der wir es zugestehen, mit der wir interagieren.
Immer Jetzt, immer das Ich
Der eigentliche Nexus des Daseins, die zentrale interaktive Schnittstelle der Existenz ist selbstverständlich jene, welche die subjektive Wirklichkeit erzeugt, ein Universum für sich. Das bist in diesem Falle DU, der oder diejenige, welche mit diesem Text interagiert. Wo diese Schnittstelle genau ist, was sie einschließt und ausgrenzt, ist völlig subjektiv, sowohl auf die eigene Identität bezogen, als auch auf Entitäten in der Transzendenz. Alle anderen Entitäten, also alles in deiner Transzendenz (in dem was du nicht bist), was deiner Meinung nach eine Identität hat, was bedeutet eine Schnittstelle aus Immanenz und Transzendenz, erzeugt durch diese eine subjektive Wirklichkeit, die sich von deiner unterscheidet. Und dieses alternative Universum kannst du nur zu einem gewissen Grat nachvollziehen. Solche anderer Menschen viel eher als solche von Entitäten, die sich mehr von dir unterscheiden. Der Nexus, das Selbst, ist immer jetzt, und dein Vergangenes und Zukünftiges sind ebenso Entitäten, welche du differenzierst. Der Sitz des Bewusstseins ist also ständiger Veränderung unterworfen.
Thomas Heindl 2016
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