Wenn sich der Kreis schließt zwischen CRISPR, Meta-DNA und Gelähmten, die durch Training mit einem Brain-Machine-Interface wieder ansatzweise ihre Beine bewegen können, eröffnet sich ein neues Kontinuum. Es sind meist die neu geschaffenen Blickwinkel, die Ausgangspunkt für neue Denkansätze und Lösungsvorschäge sind.
CRISPR – der ‚Heilige Gral‘ der Genmanipuation
Dieses aktuelle Video über CRISPR beschreibt das unglaubliche Potential dieser jungen Technologie, welches viele Wissenschaftler, Ärzte und Transhumanisten von diesem Verfahren erwarten. Offenbar steht ein Durchbruch bei der Genmanipulation im großen Stil unmittelbar bevor. Man erhofft, die großen Krankheiten der Menschheit ebenso heilen zu können, wie Fantasien der Transhumanisten vom ewigen Leben und gesteigerter Intelligenz von Designer Bebies uvm..
Spätestens nach Ray Kurzweils Singularitäts-Hypothese (Wikipedia) wird klar, dass ein Erreichen und Ausnützen dieser Möglichkeiten potentiell nicht in allzu weiter Ferne liegen dürfte. Die Argumentation im Video, dass eine Verhinderung dieser Technologie die Heilung von tödlichen Krankheiten und beispielsweise genetisch bedingten Behinderungen sabotieren würde, erscheint mir durchaus treffend.
Eine der vielen aufkommenden Fragen ist natürlich, ob mit dem genetischen Code die Funktionsweise des Lebens vollständig beschrieben und geplant werden kann. Man kann davon ausgehen, dass auch in diesem Bereich weitere Paradigmenwechsel noch bevor stehen, wenn man die Entwicklung des Forschungsstandes beispielsweise mit jener der Physik vergleicht. Hier gab es gleich mehrere, vom heliozentrischen Weltbild bis hin zu Newtons Gravitation, Einsteins Relativitätstheorie und der Quantenmechanik – und es ist davon auszugehen, dass noch weitere folgen werden. All diese wissenschaftlichen Revolutionen haben ihrer Zeit genügt und sich bedingt und sind daher innerhalb ihres Kontinuums betrachtet, als gleichwertig zu betrachten. So gesehen wird es überaus interessant sein, ob und inwiefern sich durch CRISPR, also menschlichen direkten Eingriff in die DNA, manipulierte Lebensformen von solchen unterscheiden, die ohne solche Eingriffe entstanden sind.
In diesem Kontext möchte ich auf den Post hinweisen, in dem ich von den potentiellen Interpretationsmöglichkeiten des genetischen Codes geschrieben habe, die von der Absicht des Interpretierenden abhängen. Ich brachte damals den Vergleich mit einem literarischen Roman, der ebenfalls von jedem Individuum als unterschiedlich interpretiert wird, ja teilweise von ein und demselben Menschen, der diesen zwei Mal in unterschiedlichen Lebensphasen liest.
Meta-DNA – der zweite Layer des genetischen Codes
Helmut Schiessel vom Leiden Institut für Physik hat nun nachgewiesen (Phys.org), dass einer dieser Layer, oder Lesarten der DNA, sich offenbar auf mechanischer Ebene manifestiert. Er wies nach, dass die Genexpression in den Zellen unterschiedlicher Organe von der Faltung der DNA im Nukleus anhängig ist. Dies könnte, so vermutet Schiessel, eine Antwort darauf geben, wie die ansonsten in jeder Zelle identisch enthaltene DNA bewirken kann, dass derart viele unterschiedliche Zellen entstehen können, die alle unterschiedliche Funktionen ausüben.
Der Bogen zur nächsten Meldung macht deutlich, wie unerwartet solche Paradigmenwechsel, oder neue Lesarten, oder Interaktionen mit Entitäten wie eben der Genetik, Physik oder Medizin, auftreten können:
Brain-Machine-Interface triggert Muskelkontrolle von Gelähmten
Das ‚Walk Again‘ Programm hat zum Ziel, Gelähmten durch Brain-Machine-Interfaces und Exoskelette wieder das Gehen zu ermöglichen. Während diesem Projekt wurde nun festgestellt, dass die Patienten teilweise wieder Kontrolle und Gefühl über ihre Gliedmaßen gewinnen konnten, wie auch derStandard berichtet. Miguel Nicolelis vom AASDAP and Lente Viva Filmes, São Paulo, Brasilien stellt im Video in den Raum, dass deren Forschungsarbeit den Weg für neue Therapieformen ebnen könnten.
Diese erfreuliche Entdeckung ist ein guter Beleg dafür, dass es sich immer lohnt, neue Wege zu beschreiten. In Bewegung bleiben ist ein wichtiges Mittel, um die Perspektiven zu verändern, und neue Perspektiven sind eine sehr hilfreiche Inspiration für Ansätze der Problemlösung.
Der Paradigmenwechsel, oder sagen wir besser, der erhoffte, der ist hierbei völlig unvermutet eingetreten, als eine Art Nebeneffekt der eigentlichen Absicht, den Gelähmten das Gehen durch Exoskelette zu ermöglichen. Dieses neue Kontinuum der Erweiterung des Menschen durch Technologie hat die Perspektive auf ein Problem verschoben, das die Medizin seit Jahrhunderten beschäftigt. Auf einen Schlag bietet ergibt ein völlig unerwartet neuer Zugang mögliche Aussichten auf Lösungen.
Thomas Heindl, 2016
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